II. Vorgeschichte

Um die Gründung der Gesellschaft für die Geschichte des Protestantismus im Jahre 1879 richtig würdigen zu können, muss zum einen auf das damals bevorstehende Jubiläum des josephinischen Toleranzpatents (1781) hingewiesen werden, zum anderen aber auf die deutliche katholische Instrumentalisierung der Geschichtsforschung um die Mitte des 19. Jahrhunderts. 1854 war in Wien das „Institut für Österreichische Geschichtsforschung“ gegründet worden. Damit verfolgte der Cultus- und Unterrichtsminister Leo Thun-Hohenstein (1811–1888) das Ziel, die Pflege der österreichischen Reichsgeschichte unter prononciert katholischem Vorzeichen zu optimieren und als katholisches Gegenstück der führenden preußischen Geschichtsforschung entgegenzustellen. Es wurde von einem Ordensmann, dem Benediktiner Albert Jäger (1801–1891) geleitet, einem engen Mitarbeiter des Ministers. Für die Universität Wien als eine katholische Stiftung galt die spezifische Aufgabe, den katholischen Standpunkt zu vertreten, die Interessen der römisch-katholischen Kirche zu fördern und Angriffe gegen dieselbe auch abzuwehren, mit Nachdruck etwa aus den Fächern Philosophie und Geschichte, da hier gegebenenfalls ‚feindselige Richtungen‘ zu registrieren wären. Damit war nicht ausdrücklich, aber doch auch der Protestantismus mitgemeint, obwohl er seit dem Märzpatent 1849 als formal gleichberechtigt galt und den Status einer öffentlich-rechtlichen Korporation einnahm.

1855 wurde das Konkordat mit dem Hl. Stuhl abgeschlossen, das den Höhepunkt der Ära Thun und den kulturpolitischen Sieg des Katholizismus auf allen Ebenen markierte. Es wurde von Franz Grillparzer (1791–1872) mit spöttischen Epigrammen kommentiert: „Verkehrt ihr mit Moder und Schimmel / mit Konkordat und Glaubensgericht / Gewinnt ihr die erste Stelle im Himmel / aber in Deutschland nicht.“ Das Konkordat geriet zum Streitobjekt und wurde von den in den Hintergrund gedrängten Liberalen heftig bekämpft. Die militärischen Niederlagen Österreichs in Oberitalien 1859 brachten die Wende und die Rückkehr des Liberalismus als wirksame politische Kraft in den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts. Thun musste 1860 zurücktreten, seine Vision vom österreichischen Gesamtstaat war endgültig gescheitert – nicht zuletzt an seiner politischen Fehleinschätzung des magyarischen Protestantismus. 

In der nun folgenden liberalen Epoche erhielt das „Institut für österreichische Geschichtsforschung“ mit dem deutschen Pfarrersohn Theodor Sickel (1826–1908) 1869 sogar einen evangelischen Direktor. Den politischen Höhepunkt dieser Ära bildete das Staatsgrundgesetz von 1867, die Verfassung der konstitutionellen Monarchie mit ihren religionsrechtlichen Folgegesetzen, die als Maigesetze 1868 in die Geschichte eingegangen sind, schließlich auch das Reichsvolksschulgesetz 1869 und nicht zuletzt die Kündigung des Konkordates 1870.